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Auch Kinder können an Rheuma erkranken

Rheuma wird oft als Krankheit älterer Menschen angesehen. Zum Welt-Rheuma-Tag (12.10.2016) schauen wir aber auf Kinder und Jugendliche. Denn auch sie können an entzündlichen Gelenkerkrankungen leiden. Die Diagnose ist meist schwierig.

Wenn die Gelenke oder Muskeln schmerzen und die Finger morgens steif sind, dann ist Rheuma oft die Ursache. Die Krankheit ist besonders unter älteren Menschen weit verbreitet. Doch auch Kinder und Jugendliche können an Rheuma erkranken. Das musste Gaby Steinigeweg aus dem westfälischen Hörstel vor vielen Jahren leidvoll erfahren. Ihre Tochter Katharina erkrankte im Alter von drei Jahren an Rheuma. Die Diagnose kam überraschend. „Katharina wollte nicht mehr laufen und war sehr weinerlich“, erinnert sich Steinigeweg. „Aber da denkt man ja nicht direkt an Rheuma.“

Gelenkrheuma ist häufigste Rheumaform

Doch die Ärzte stellten fest, dass fast 20 Gelenke des Kindes betroffen waren. Für Gaby Steinigeweg änderte sich mit der Diagnose das ganze Leben: „Als Familie fällt man in ein Loch.“ Die Mutter hatte Sorgen vor der Zukunft ihrer jungen Tochter, die nun mit Medikamenten und Physiotherapie zu tun hatte und auch in einer Klinik stationär behandelt wurde. Regelmäßig müssen die Gelenke des Kindes gekühlt werden, um den Entzündungen entgegenzuwirken. „Es gab auch Medikamente, die ihr die Schmerzen erst mal genommen haben“, erzählt Steinigeweg. „Doch die Nebenwirkungen, speziell von Cortison, waren natürlich gravierend.“

Von Gelenkrheuma, der häufigsten rheumatischen Erkrankung, sind bundesweit nach Angaben der Deutschen Rheuma-Liga rund 13.000 Kinder und Jugendliche betroffen. Hinzu kommen noch die selteneren rheumatischen Erkrankungen. Gelenkrheuma kann sich im Kindesalter sehr unterschiedlich präsentieren, sagt Kirsten Minden vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum in Berlin. „Das Krankheitsspektrum reicht von der Entzündung nur eines Gelenkes, über den Befall fast aller Gelenke bis zu schweren Krankheitsbildern mit Fieber“, so die Kinderrheumatologin. Bei der häufigsten Rheumaform seien wenige, meist große Gelenke betroffen.

Rheuma

Rheuma ist für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) der Oberbegriff für Erkrankungen, die an den Bewegungsorganen auftreten und fast immer für Schmerz und Bewegungseinschränkungen sorgen. Betroffen sein können Gelenke, Sehnen, Muskeln oder Bänder. Ärzte zählen weit über 100 rheumatische Erkrankungen. Gemeinsam ist allen ein ziehender oder reißender Schmerz, der dem Rheuma auch seinen Namen gegeben hat (Griechisch = fließender Schmerz). Am häufigsten treten degenerative Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen wie Arthrose auf. Die Ursachen von Rheuma sind unklar. Vielfach liegt allerdings eine Störung des Immunsystems zu Grunde. Rund 20 Millionen Menschen leiden in Deutschland an rheumatischen Erkrankungen.

Kinder können Schmerzen kaum mitteilen

Das häufigste Symptom des Gelenkrheumas bei Kindern ist die Gelenkschwellung am Knie, die aber gerade im Kleinkindalter leicht übersehen werden kann. „Kinder erkranken oft bereits im Alter von zwei oder drei Jahren an Gelenkrheuma“, erklärt Minden, „also in einem Alter, in dem Schmerzen kaum mitgeteilt werden.“ Eltern müssten also besonders auf Schonhaltungen oder auffällige Bewegungen des Kindes achten. „Je nachdem, welche Gelenke erkrankt sind, fällt auf, dass die Kinder weniger toben, hinken, anders greifen und Schwierigkeiten beim Anziehen oder anderen Alltagsbewegungen haben“, sagt die Ärztin. Das sei oft morgens nach dem Schlafen besonders ausgeprägt. „Kinder versuchen, erkrankte Gelenke in eine schmerzarme Stellung zu bringen und weniger zu belasten“, so Minden.

Werden Gelenkentzündungen bei Kindern nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, können die Folgen weitreichend sein. „Es drohen Fehlhaltungen, Fehlstellungen von Gelenken, im Extremfall Gelenkzerstörungen, oder auch Knochen- und Muskelabbau“, sagt die Rheumatologin. Auch das Wachstum und die Entwicklung des betroffenen Kindes können beeinträchtigt werden. Im schlimmsten Fall könnten sogar die Augen geschädigt werden, was im Extremfall bis zur Erblindung führen könne, sagt Minden. „Gelenkrheuma im Kindesalter ist also keinesfalls eine harmlose Erkrankung.“ Sie birgt das Risiko der Zerstörung von Gelenken, der Schädigung von Organen sowie einer dauerhaften Behinderung.

Frühzeitige Diagnose ist wichtig

So weit kam es bei Gaby Steinigeweg und ihrer Tochter nicht. Die Diagnose kam recht früh, sodass die Therapie umgehend beginnen konnte. Und das sei auch wichtig gewesen. „Wenn die Krankheit rechtzeitig erkannt und therapiert wird, können Kinder gut damit leben“, sagt Steinigeweg, die sich seit vielen Jahren auch im Bundesverband Kinderrheuma engagiert. „Das Ziel der Behandlung besteht in der vollständigen Unterdrückung der rheumatischen Entzündungsaktivität, der Sicherung einer normalen Entwicklung der Kinder und der Vermeidung von Folgeschäden“, erklärt Ärztin Minden. So soll ein weitgehend normales Leben gewährleistet werden.

Ein offener Umgang mit der Krankheit sei außerdem wichtig, glaubt Gaby Steinigeweg. Das habe auch ihre Tochter gelernt. „In der Schule konnte sie ihren Mitschülern erklären, warum sie Medikamente nehmen muss und es ihr manchmal nicht so gut geht“, erzählt Steinigeweg. Auch sie selbst habe mit den Lehrern gesprochen und für Verständnis geworben. „Wenn in der Schule Klassenarbeiten geschrieben wurden, brauchte sie aufgrund ihrer Erkrankung auch mal etwas mehr Zeit als andere.“

Rheuma nicht heilbar

Mittlerweile ist Gaby Steinigewegs Tochter 28 Jahre alt. „Sie organisiert sich sehr gut selbst“, sagt die Mutter. Bis heute gehören regelmäßige Arztbesuche und Termine bei der Krankengymnastik zum Alltag dazu. „Ihr Rheuma ist zur Zeit ruhig, sodass sie im Moment zum Glück keine Rheumamedikamente mehr braucht“, sagt die Mutter. Trotzdem wird sie die Krankheit wohl ihr Leben lang begleiten. Denn heilbar ist Rheuma bisher nicht.

Quelle: wdr.de, 12.10.2016, von Benjamin Esche

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